ZuFa_Banner_Geschichte

Geschichte der Fabrik

1747

Der Chemiker Andreas Sigismund Marggraf entdeckt, dass die einheimische Runkelrübe den gleichen Zucker enthält wie das Zuckerrohr.

Sein Nachfolger an der preußischen Akademie der Wissenschaften, Franz Carl Achard, beginnt 1782 zuckerreichere Runkelrüben zu züchten. Er entwickelt eine Methode aus den Runkelrüben kleinen Mengen festen Zucker herzustellen.

1799

Achard übergibt eine Probe (ca. 5 kg) seines Zuckers aus Runkelrüben dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. Achard wird beim Aufbau einer Fabrik unterstützt.

1802

In Cunern (Schlesien) werden 250 t Zuckerrüben in der ersten Kampagne zu etwa 11 t Zucker verarbeitet. Die Ausbeute war sehr niedrig und die Herstellung noch nicht wirtschaftlich.

1806

Napoleon erlässt die Kontinentalsperre, dadurch wird der Import von Rohzucker aus Zuckerrohr nach Kontinentaleuropa unterbunden. Zucker wird viel teurer und in Deutschland und Frankreich entstehen viele Rübenzuckerfabriken.

1818

Nach der Niederlage Napoleons behält nur Frankreich Schutzzölle auf den importierten Rohzucker aus Zuckerrohr. Deshalb bleiben nur die Rübenzuckerfabriken in Frankreich erhalten. In Deutschland stellen nach und nach alle Zuckerfabriken den Betrieb ein.

1830

Die florierende Rübenzuckerindustrie Frankreichs dient als Vorbild für die Wiederaufnahme der Zuckerherstellung aus Rüben in Deutschland. 1834 erlässt der Deutsche Zollverein einen Einfuhrzoll auf Rohrrohzucker und es entstehen sehr viele neue Fabriken. 1836/37 gibt es in Deutschland 122 Zuckerfabriken, die zusammen 25000 t Rüben zu 1400 t Rohzucker verarbeiteten.


Die erste Rübenzuckerfabrik in Oldisleben wird gegründet, die bis 1872 Rohzucker aus Rüben herstellen wird. Sehr viele der im ersten Gründungsboom von 1835 bis 1837 entstandenen Fabriken werden bald wieder stillgelegt.

1835 – 1836

Die erste Rübenzuckerfabrik in Oldisleben wird gegründet, die bis 1872 Rohzucker aus Rüben herstellen wird. Sehr viele der im ersten Gründungsboom von 1835 bis 1837 entstandenen Fabriken werden bald wieder stillgelegt.

1835 – 1872

Die Zuckerindustrie etabliert sich fest in Deutschland. Fortschritte in der Landwirtschaft insbesondere der steigende Zuckergehalt der Rüben und in der Verarbeitungstechnik durch Dampfmaschinen, Mehrstufenverdampfapparate, Vakuumapparate für die Kristallisation usw. verbessern die Wirtschaftlichkeit der Rübenzuckerindustrie. Ein Schwerpunkt des Rübenanbaus und der Zuckerindustrie ist der Raum zwischen Hannover, Magdeburg, Halle und Leipzig. Hier entsteht auch eine Zulieferindustrie für Apparate und Maschinen der Zuckerfabriken. Eisenbahnen verbinden zunehmend die großen Städte und erschließen auch den ländlichen Raum. Zucker wird preiswerter, der Verbrauch in Deutschland steigt und der Zuckerexport gewinnt an Bedeutung. Die Reichsgründung 1871 schafft einheitlicheres Recht in Deutschland.

In der Nähe von Oldisleben (Frankenhausen, Artern, Allstedt) entstehen ab1850 neue modernere Zuckerfabriken. Die „Zuckersiederei“ in Oldisleben bleibt bei einer Verarbeitung von etwa 25 t pro Tag.

1872

Vor 1872 beginnen in Oldisleben und Umgebung die Planungen zur Errichtung einer Zuckerfabrik. Dort sollen täglich mindestens 2000 Zentner Zuckerrüben (= 100 Tonnen!) verarbeitet werden können. Das neue Unternehmen wird als Genossenschaft gegründet. Die Genossenschafter müssen Geschäftsanteile à 500 Taler und damit verbunden die Rübenanbauverpflichtung von 5 Magdeburger Morgen je Geschäftsanteil zeichnen. Das Stammkapital besteht aus 614 Anteilen, insgesamt sind es 307.000 Taler.

Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung, in der jeder Geschäftsanteil eine Stimme hat. Die Versammlung der Genossenschaft wählt einen dreiköpfigen Vorstand, der von einem Ausschuss mit 9 Mitgliedern überwacht wird. Vorstand und Ausschuss beschließen über die Anstellung der „Oberbeamten“, nämlich „Faktor“ (Gutsverwalter, hier Fabrikdirektor) und Buchhalter. Alle Genossenschafter haften solidarisch und mit ihrem gesamten Vermögen für die Schulden der Genossenschaft.


Zum ersten Direktor der Zuckerfabrik wird Herr Haake bestellt (1872 – 1873).


Der Bau der Fabrik beginnt. Das Fabrikgebäude erstellt die Firma Haase aus Wallhausen, die Maschinen liefert und montiert Röhrig & König aus Magdeburg. Beide Unternehmen werden verpflichtet, die Inbetriebnahme der Zuckerfabrik zum 1. Januar 1873 zu sichern. Der Termin wird um einen Monat verpasst. Im Februar 1873 nimmt die Fabrik ihre Arbeit auf.

1873

Die 1. Kampagne dauert vom 27.2. – 15.4. 1873. Als „Kampagne“ bezeichnet man in der Landwirtschaft die Zeit, in der die Ernte einer verderblichen Frucht verarbeitet wird. In Zuckerfabrik ist es die Zeit in der Rüben zu Zucker verarbeitet werden.


Herr Krüger (1873 – 1885) wird zum zweiten Direktor der Zuckerfabrik bestellt.

1874

Rübenanbauverpflichtung von 6,5 Magdeburger Morgen je Geschäftsanteil ab Herbst 1875.

1877

Ab 1877 und in den Folgejahren setzt eine wirtschaftliche Blüte ein und die Zuckerfabrik erzielt hohe Gewinne.

1880

1880

Ein Elutionsgebäude zur Melasseentzuckerung wird gebaut. Das Gebäude nutzt man später als Zuckerlager. Heute soll es als Veranstaltungsraum dienen und einige Objekte der Stiftung werden dort ausgestellt.

1880
1882

1882

Eine Balancier-Dampfmaschine zum Antrieb von Kolbenpumpen für Dick- und Dünnsaft wird aufgestellt. Sie steigert die Produktivität der Fabrik deutlich. Weniger als zehn Jahre nach ihrer Gründung gehört die Zuckerfabrik Oldisleben zu den fortschrittlichsten im Land. Später dient die Balancier-Dampfmaschine zur Förderung von Kalkmilch und Wasser.

1882

1884

Der Schornstein der Fabrik wird von 41,5 m auf 57,5m erhöht. Er ist weithin sichtbar und steht noch heute.

1885

Dr. Max Neide wird dritter Direktor der Zuckerfabrik (1885 – 1892).

1889 – 1890

Die Weichen für weiteres Wachstum der Zuckerfabrik werden gestellt. Die Hallesche Maschinenfabrik und Eisengießerei AG wird werden beauftragt, eine Betriebserweiterung auf eine Tagesverarbeitungskapazität von 525 Tonnen Zuckerrüben vorzunehmen. Das ist eine Erweiterung um mehr als das Fünffache der ursprünglichen Menge!

Zusätzlich werden neue Schnitzelpressen, Schnitzeltransporteure, Schneidmaschinen, Verdampfapparate und Dampfkolbenpumpen eingebaut.

1892

Die Zuckerfabrik Oldisleben wird von einer eingetragenen Genossenschaft (e.G.) in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) umgewandelt. Man will die unbeschränkte persönliche Haftung der Genossenschafter abschaffen. Im April 1892 wird das Reichsgesetz über die GmbH erlassen. Der auf Dezember 1892 datierte Gesellschaftsvertrag überträgt die Geschäfte der Genossenschaft rückwirkend mit dem Beginn des neuen Geschäftsjahres am 1. Juli 1892 auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Das Stammkapital wird über 307 Stammeinlagen à 2.200,00 Mark (heute etwa 16.280,00 Euro) erbracht.


Zum vierten Direktor wird Dr. G. Siebeck bestellt, der die Geschicke der Zuckerfabrik ins neue Jahrhundert führt (1892 – 1902).

1892

Wiederum wird die Zuckerfabrik erweitert. Kochapparate, mit denen der Zuckersaft zu Zuckerkristallen verkocht wird und Maischen, in denen das Kristall-Sirup-Gemisch aus den Kochapparaten gerührt wird, werden eingebaut.

1898

Genehmigung für die Ausführung eines neuen Doppelkonus-Kalkschachtofens belgischer Bauart. Hersteller war die Maschinen- und Dampfkesselfabrik Victor Lwowski in Halle.


Am 4. Dezember ereignet sich ein tödlicher Unfall im Rübenhaus. Der Arbeiter Wiesel wird durch einen Transmissionsriemen (Band zur Kraftübertragung bei einer Maschine) erfasst und sofort getötet. Seine Witwe und vier Kinder bleiben trauernd zurück. Der Unfall legt Zeugnis über eine Welt ab, die heute in Deutschland meist weit entfernt zu sein scheint: viele Arbeiter waren damals unter Bedingungen tätig, die heute fast unvorstellbar sind. Viele (Fabrik-)Arbeitsplätze waren nicht nur laut und dreckig, sondern hochgefährlich. Der Arbeitsschutz steckte noch in den Kinderschuhen. Verletzungen, nicht selten schwer oder sogar mit tödlichem Ausgang, waren an der Tagesordnung.

Ab 1900

Der traditionelle Weg der Erzeugung von Verbrauchszucker aus Zuckerrohr und Zuckerrüben war die Erzeugung von Rohzucker und dessen Aufreinigung und Veredelung in Zuckerraffinerien, die ganzjährig arbeiteten. Rohzucker besteht aus Zuckerkristallen, die von einer Sirupschicht aus dem Saft der Pflanze umhüllt sind. In Deutschland gingen die Rübenzuckerfabriken allmählich dazu über den letzten Reinigungschritt auch auszuführen. Um 1900 wurden schon etwa 20 % des Weißzuckers in Rübenzuckerfabriken erzeugt.

1902

Dr. Julius Lange (1902 – 1914) wird fünfter Direktor der Zuckerfabrik.

1903 – 1907

Auch das 20. Jahrhundert ist durch Aufbau, Fortschritt und Wachstum der Zuckerfabrik geprägt. Die Sangerhäuser Maschinenfabrik führt eine Betriebserweiterung auf eine Tagesverarbeitungskapazität von 600 Tonnen durch. Rund dreißig Jahre nach der Gründung kann die Fabrik das sechsfache(!) ihrer ursprünglichen Kapazität verarbeiten. Ebenfalls durch die Maschinenfabrik Sangerhausen wird eine neue Diffusionsbatterie mit 12 Gefäßen à 65 Hektoliter errichtet. In der Diffusionsbatterie wird Rohsaft aus Rübenschnitzeln extrahier, aus dem später Zucker kristallisiert wird. Weiterhin wird zur Lagerung der Zuckerrüben ein neuer Rübenkeller gebaut, der am 12.9.1907 abgenommen wird.
Schließich wird eine Laufbrücke zwischen Zuckerhaus und Zuckerlager gebaut. Komplettiert werden die Baumaßnahen durch eine Schwemmrinne, mit der man die Rüben in die Fabrik transportierte, den Umbau der Geschäftsräume sowie den Einbau eines größeren Hubrades.

1906

Auch das Umfeld der Zuckerfabrik wird industrialisiert: die Bahnstrecke von Esperstedt nach Oldisleben wird durch die Firma Bachstein gebaut.

1907

Knapp zehn Jahre ging es gut, dann ereignet sich der nächste tödliche Unfall in der Zuckerfabrik. Bei Schachtarbeiten stürzt eine Mauer auf drei Arbeiter. Karl Fehring aus Sachsenburg wird auf der Stelle getötet. Er hinterlässt eine Frau und fünf Kinder. Die Arbeiter Koppo und Grube aus Sachsenburg und Seehausen haben Glück und kommen mit leichten Verletzungen davon. Wieder wird deutlich, wie gefährlich die Fabrikarbeit war.

1908

Gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts wird die technische Ausrüstung in der Fabrik weiter modernisiert: die Firma Dinglinger aus Köthen baut die (Zucker-)Rübenwäsche neu, außerdem wird erstmalige eine Rübenschnecke eingebaut. Mit der Rübenschnecke hat man die Rüben aus der Wäsche zur Waage ins Dachgeschoss transportiert.

1914

Karl Füllner wird zum sechsten Direktor der Zuckerfabrik bestellt (1914 – 1924).

1914 – 1918

In den Kriegsjahren des Ersten Weltkrieges wurden sämtliche Kupferrohre gegen Stahlrohre ausgetauscht.

1915 – 1918

Trotz des tobenden Ersten Weltkriegs wird der Maschinenpark der Zuckerfabrik modernisiert. Die große Betriebsdampfmaschine wird aufgestellt (Leistung: 300 PS, hergestellt von der Braunschweigischen Maschinenbauanstalt AG). Weiter wird eine Dampfmaschine mit Schiebersteuerung für den Antrieb der Kohlendioxidpumpe eingebaut.

1920

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, ist man zunächst bemüht, den bisherigen Leistungsstand zu sichern. Daher finden zunächst keine größeren Investitionen statt. Stattdessen wird der Gesellschaftsvertrag neu gefasst. Das Stammkapital vom 675.400,00;- wird von 307 Stammeinlagen à 2.200,00 Mark auf 614 Stammeinlagen à 1.100,00 Mark zerlegt.
Da die Verwertung des Rohzuckers wirtschaftlich nicht befriedigend war, beschließen die Gesellschafter die Fabrik auf die Produktion von Weißzucker umzustellen. Die notwendigen Umbauten und Ergänzungen der Ausrüstung werden in den folgenden 2 Jahren ausgeführt.

1921

Im dritten Jahr nach dem Ersten Weltkrieg wird die Investitionstätigkeit wieder aufgenommen. Im Zuckerhaus wird eine Dampfmaschine zum Antrieb von Elevatoren, Kolbenpumpen, Maischen, Rührwerk und Schüttelrinne eingebaut. Ebenfalls 1921 wird eine Filterschlamm-Hängebahn zum Abtransport des bei der Saftreinigung anfallenden Schlammes von der Firma Eberhardt aus Wolfenbüttel eingebaut. Zudem baut die Maschinenfabrik Sangerhausen fünf weitere Maischen ein.

1922

Die Fabrik stellt von Roh- auf Weißzucker um. Gleichzeitig werden neun neue Zweiflammrohrkessel im Kesselhaus eingebaut.

1924

Adolf Dunker wird zum siebten Direktor der Zuckerfabrik bestellt. Er wird einer der am längsten amtierenden Direktoren werden (1924 – 1948).

1925

Eine weitere Dampfmaschine mit Doppelkolbenschiebersteuerung wird eingebaut. Sie treibt die Vakuumpumpe des Kondensators der Verdampfstation an.

1934

In den Folgenjahren nach 1925 macht sich die angespannte wirtschaftliche Lage bemerkbar. Erneut geht es, wie schon von 1918 – 1921, vor allem darum, die Zuckerfabrik am Laufen zu halten. Erst neun Jahre später kommt es zur nächsten nennenswerten Investition: ein zweites Zuckerlager, das „neue“ Zuckerlager wird an der südlichen Grundstücksgrenze errichtet.

1936

Eine Schnitzeltrocknung wird gebaut. In der Diffusionsbatterie wird der zuckerhaltige Saft aus den Zuckerrüben herausgelöst. Dafür werden die Rüben zu Schnitzeln (schmale Streifen, ähnlich wie Pommes frites) geschnitten, die nach der Diffusionsbatterie als Futtermittel verwendet werden.

Wenn sie aus der Diffusionsbatterie kommen, enthalten sie sehr viel Wasser. Damit die Schnitzel besser zu transportieren und zu lagern sind, werden sie getrocknet . Das Trocknungsgebäude wird
von der Firma Herbst aus Ringleben errichtet und von der Braunschweigischen Maschinenbauanstalt AG ausgerüstet. Die Feuerung stammt von Fränkel & Viebahn aus Leipzig. Größter Kraftbedarf der 2400er- Trommel für Diffusionsschnitzeln und 2000er-Trommel für Rübenblättern sind 250 PS.

Weiterhin wird eine liegende 400 PS Einzylinder-Dampfmaschine mit Ventilsteuerung von der Zuckerfabrik Uelzen gekauft (hergestellt im Jahr 1911 von der Braunschweigischen Maschinenbauanstalt AG) und in der heutigen Schaltzentrale aufgestellt, an die man ein Generator der Schorch-Werke gekuppelt hat. Jedoch wird die Kesselanlage nicht entsprechend erweitert, weswegen die „neue“ Maschine kaum eingesetzt werden kann.

1937

Dreißig Jahre nach dem letzten tödlichen Arbeitsunfall stirbt erneut ein Arbeiter. Im Rübenwaschhaus wird Erich Franke am 8.Dezember während Reparaturarbeiten an der Rübenwäsche tödlich verletzt. Der Sicherungsposten, der die Arbeiten überwachen sollte, musste austreten. Da niemand mehr an der Rübenwäsche zu sehen war, kuppelte das Schneidmaschinenpersonal die Wäsche unwissend zu.


Eine Grünfutterwaage wird hinter der Fabrik errichtet. Dies wird für lange Zeit die letzte Investition bleiben. Der Fokus der Industrie richtet sich am Vorabend des Zweiten Weltkrieges immer stärker auf kriegswichtige Güter und speziell die Rüstung.

1937 – 1945

Zweiter Weltkrieg – Die Produktion der Zuckerindustrie kann bis 1944 aufrechterhalten werden. In den Kampagnen besteht das Personal in den Fabriken etwa zur Hälfte aus Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen. In Oldisleben sind Personallisten der Zwangsarbeiter erhalten geblieben. Im April 1945 wird Thüringen von der US-Armee erobert. Die sowjetische Armee rückt später als Besatzungsmacht ein und übernimmt die Verwaltung.
Die Zuckerfabrik übersteht den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet.
Im Oktober 1945 werden alle Zuckerfabriken unter die Zwangsverwaltung der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) gestellt.

1945 – 1946

In der sowjetischen Besatzungszone werden 14 Zuckerfabriken und eine Zuckerraffinerie als Reparationsleistung demontiert. Oldisleben ist als kleine, altmodische Fabrik nicht attraktiv genug, um als Reparationsleistung für die Sowjetunion demontiert zu werden.

Oldisleben ist die erste Fabrik, die 1945 in Thüringen Weißzucker herstellt.

1948

Heinrich Clare wird zum achten Direktor der Zuckerfabrik bestellt (1948 – 1954).


Durch den Befehl Nr. 64 der SMAD vom April 1948 wird die Zwangsverwaltung beendet und die Zuckerfabriken werden in Volkseigne Betriebe umgewandelt. Die Gesellschafterversammlung der Zuckerfabrik beschließt am 2.9.1948, ihre Gesellschaftsanteile auf die Verwaltung Volkseigener Betriebe in Erfurt zu übertragen.


Kurz vor Weihnachten knallt es: am 23.12.1948 explodiert eine Dampfleitung im Kesselhaus. Die Kesselanlage muss abgeschaltet werden. Glücklicherweise gab es keinen Personenschaden. Grund des Schadens waren außergewöhnlich große Ablagerungen von Flugasche, hohe Rauchgastemperaturen und eine Stauhitze in der Überhitzerkammer. Deren Ursache war eine hohe Maschinenbelastung (Materialmangel nach dem Krieg), eine zu lange Betriebsdauer des Kessels sowie die Verwendung minderwertiger Kohle. Anfänglich wurde der Maschinenmeister Albert Kurzeja beschuldigt, die Probleme nicht erkannt zu haben und daher für die Explosion verantwortlich zu sein. Dies war jedoch ein Komplott, um sich des politisch nicht mehr erwünschten Werkstattmeisters zu entledigen.

1950 – 1952

Vordringlich werden kleinere Reparaturarbeiten ausgeführt. Das Dach über dem Zuckerhaus wird erneuert; damit geht eine Erhöhung der Wände einher. Außerdem wird das gewölbte Dach über Kalkofengebäudes zu einem flachen Satteldach umgebaut.

1952

Die politischen Gegebenheiten ändern sich und damit ändert sich auch das Profil der Zuckerfabrik. Mit der Gründung der ersten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften erhält sie Aufgaben bei der Feldarbeit, der Getreidearbeit und der Reparatur von Erntemaschinen. Darüber hinaus werden im August 1952 alle Zuckerfabriken auf dem Gebiet der DDR der Vereinigung Volkseigener Betriebe der Zuckerindustrie in Halle unterstellt.

1955

Mitte der 1950er Jahr beschließt die Vereinigung Volkseigener Betriebe Rekonstruktionsmaßnahmen für die von Kriegsschäden und sowjetischen Reparationsforderungen (unter anderem auch Demontagen von Wirtschaftsgütern in der DDR und Neuaufbau in der Sowjetunion) schwer getroffene Wirtschaft. Im ersten Plan ist auch die Zuckerfabrik Oldisleben eingeschlossen. Aus ökonomischen Gründen soll die Verarbeitungskapazität auf 1.250 Tonnen (Zucker-)Rüben täglich steigen.


Karl Nowitzki wird zehnter Direktor (1955 – 1958 und 1961 – 1986). In dieser längsten Amtszeit eines Direktors der Zuckerfabrik wird er zu deren prägenden Figur und hat maßgeblichen Anteil daran, dass diese bis heute als technisches Denkmal erhalten geblieben ist. Er erkennt deren unschätzbaren (industrie-)historischen Wert und macht sich noch während seiner Amtszeit dafür stark, die Zuckerfabrik unter Denkmalschutz zu stellen.

1956

Im Jahr 1956 kommt eine überraschende Handelskooperation zum Tragen: aus Kuba gelieferter Rohrzucker wird zu verbrauchsfähigem Weißzucker umgearbeitet.


Auch achtzig Jahre nach Ihrer Errichtung bleibt die Zuckerfabrik ein gefährlicher Ort. Nach wie vor sind Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz nicht mit dem heutigen Standard zu vergleichen. Am späteren Abend des 1.12.1956 wird Heinz Garlow in der Schnitzeltrocknung in einer Doppelschnecke eingeklemmt und stirbt. Ursache des Unfalls war, dass an einer „fremden“ Station gearbeitet wurde: ein Sohn half seinem Vater bei der Arbeit und so kam es zu einem tragischen Unfall.

1957

Die im Jahr 1955 geplante Kapazitätserhöhung auf 1.250 Tonnen (Zucker-)Rüben täglich wird angeordnet und nie begonnen. Ab diesem Zeitpunkt wird jegliche Erneuerung der zuckertechnologischen Ausrüstung eingestellt (Ausnahme: Rübenannahme, -lagerung, -schnitzelung und Trocknungsanlage).

1958

Erneut kommt es zu einem schweren Unfall, zum Glück ohne Verletzte. Im Kesselhaus bricht ein Brand aus, der bis an das Hauptgebäude (Siedehaus) reicht. Die Kampagne ist bereits vorbei und der Kohleplatz ist zur Nachkampagne weitgehend geräumt; es bestehen Brandnester durch Selbstentzündung auf dem Platz. Morgens findet eine Arbeitsschutzbelehrung statt. Abends wird glühende Kohle in den Bunker gefördert. Der Direktor Karl Nowitzki bemerkt den Brand von seiner Wohnung aus. Die Brandbekämpfung beginnt sofort, zunächst mit Handfeuerlöschern. Dennoch wird das gesamte Dach vom Kesselhaus zerstört. Ebenso wird die Förderanlage für Kohle im Kesselhaus zerstört. Das Dach wird vom 1.2.1958 bis 31.12.1958 erneuert und die Holzbinder werden durch Stahlbinder ersetzt, teilweise mit Dacherhöhung. Das Bedienungspersonal, das die glühende Kohle in den Bunker gefördert hat, wird zu Bewährungsstrafen verurteilt.


Ein Wohnheim für die Arbeiter wird gebaut. Es war zunächst als Unterkunft für die Handwerker beim geplanten Neubau des Kessel- und Turbinenhauses gedacht.


Neue Aufgaben für die Zuckerfabrik. Frauen bilden eine Brigade und stellen im ersten Jahr 160.000 Hohlblocksteine für das kreisliche Bauwesen her.

1959

Für die Zeit eines Studiums von Karl Nowitzki übernimmt Hans Walter Hildebrandt von 1959 bis 1961 nochmals die Leitung der Zuckerfabrik Oldisleben.

1960

Die Dampf-Vakuumpumpe im Siedehaus zerbirst durch einen Wasserschlag. Der Pumpenzylinder reißt seitlich auf. Die alte Pumpe wird durch zwei Wasserringpumpen ersetzt.


Die ersten Tüten der eigenen Kleinabpackung (Schokopack, Dresden) können Anfang 1960 abgefüllt werden.


Obwohl umfangreiche Projektierungsarbeiten bereits abgeschlossen sind, Ausrüstungen für das neue Kesselhaus und Krafterzeugungsanlage bereits geliefert wurden, erfolgt aufgrund veränderter Perspektivvorstellungen auf Weisung der Vereinigung Volkseigener Betriebe die Einstellung des Investitionsvorhabens (zur Erinnerung: die Fabrik sollte täglich 1.250 Tonnen Rüben verarbeiten können). Der vorgesehene Neubau eines Kessel- und Turbinenhauses (nördlich des bestehenden Kesselhauses) wird von dem „Staatlichen Büro für die Begutachtung von Investitionsvorhaben“ gestrichen. Stattdessen ergeht die Auflage, die derzeitige Kapazität der Zuckerfabrik von 570 Tonnen Rüben täglicher Verarbeitungskapazität durch Mechanisierungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu erhalten, schwere körperliche Arbeit zu reduzieren und Arbeitskräfte einzusparen.


Anfang der 1960er Jahre ist der Zusammenschluss der bäuerlichen Betriebe in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften vollendet. Die Zahl der Zuckerrübenlieferanten sinkt von 2500 auf 48 Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften und 2 Volkseigene Güter.

1963 – 1965

Da sowohl die Erweiterung der Fabrik als auch die Verbesserung der technischen Ausrüstung unterbleibt, tritt eine Phase der Stagnation ein. So werden kleinere Arbeiten durchgeführt, jedoch verblasst die Erinnerung an die Aufbruchsstimmung früherer Jahrzehnte mittlerweile. Im Vordergrund steht die Erhaltung des „Status quo“. Schon sind die Arbeiter der Fabrik quasi in einem Industriemuseum tätig. Umso größer ist deren Leistung einzuordnen.

Das Filterhausdach wird erhöht, da die Holzkonstruktion verfault war. Um die Fabrik weiter zu elektrifizieren, wird ab 1963 eine Trafostation auf der anderen Seite der Esperstedter Straße geplant, die ab 1965 gebaut wird. Daneben wird das Zuckerhaus auf das Dreiproduktschema umgestellt, sodass die Weißzuckeranlage von 1923 außer Betrieb genommen wird. Außerdem wird die Produktion von Hohlblocksteinen für die Bauwirtschaft infolge der Plattenbauweise eingestellt. Ferner werden alle maschinellen Anlagen, die noch von der großen Betriebsmaschine aus dem Baujahr 1915 über Transmissionen und Riemen im Siedehaus angetrieben werden, ab 1965 bis Anfang der 1970er Jahre schrittweise durch elektrisch betriebene Anlagen ersetzt bzw. umgebaut.

Seit 1963 gehört die Zuckerfabrik zum Zuckerkombinat „Unstrut-Helme“ und ist in einem -verbund mit den Zuckerfabriken Artern, Oberröblingen, Roßleben, Straußfurt und Waschleben. Ebenfalls 1963 beschließt das Zuckerkombinat, die Aufrechterhaltung der Zuckererzeugung bis mindestens 1978 zu sichern.

1966 – 1970

Weiterhin wird nur das nötigste getan, damit die Zuckerfabrik produzieren kann. Zwei neue Schneidmaschinen werden von der Maschinenfabrik Sangerhausen eingebaut. Weiter werden die Apparate der Verdampfstation bis Anfang der 1970er erneuert. Bis auf die Maischenantriebe geht die Zeit der Transmissionen und Riemenantriebe in der Fabrik zu Ende. Von der großen Betriebsmaschine wird ab dem Jahr 1970 nur noch der Generator mit 160 Kilovoltampere betrieben.

1971 – 1978

Auch in den 1970er Jahren setzt sich der im vorigen Jahrzehnt begonnene Trend nur der notwendigen Investitionen fort. Auf der anderen Seite der Esperstedter Straße wird ein Zuckerrübenlagerplatz für 20.000 Tonnen (Zucker-)Rüben gebaut. 1977 erfolgt das letzte Mal die Anlieferung per Bahn. 1978 wird der Lagerplatz um Kapazität für weitere 10.000 Tonnen erweitert.


Baubeginn des Rübenlagerplatzes auf der anderen Seite der Esperstedter Straße. Fläche: 132 x 95 m, für 20.000 Tonnen Rüben.


Während der Schneekatastrophe im Winter 1978/1979 verirren sich hungrige Wildschweine auf Futtersuche in den Bereich des Kalkofens und in den Flur vor dem Magazin. Sie dürften auch davon angezogen gewesen sein, dass es in der Zuckerfabrik selbst im tiefen Winter sehr warm war, da die Arbeitsprozesse in der Fabrik zu einer großen Hitzeentwicklung führen. Jedenfalls wurden die Wildschweine erlegt und es stand mehrere Tage Wildschweinbraten auf dem Speiseplan.

1986

Elfter und letzter Direktor der Zuckerfabrik war Peter von Loga (1986 – 1991). Einige der bittersten Stunden der Zuckerfabrik fallen in seine Amtszeit.

1988

Am 29. August 1988 kommt es zum letzten Mal zu einem tödlichen Arbeitsunfall. Bei der Reparatur des Wasserkastens am Kalkofenaufzug stürzt der Aufzugskorb herab. Die Arbeiter Waldemar Ratajczak und Marco Helfer werden getroffen. Waldemar Ratajczak stirbt kurz darauf. Marco Helfer wird schwer am Bein verletzt. Der Korb war nicht richtig gesichert worden.

1989

Die Zuckerfabrik Oldisleben wird auf die Kreisdenkmalliste des Kreises Artern gesetzt, obwohl der Denkmalschutz für noch arbeitende Betriebe in der DDR absolut unüblich war. Der Film „Die letzte Kampagne“ wird gedreht und die Fabrik soll nach der Kampagne 1989 stillgelegt werden. Wegen der Wiedervereinigung verarbeitet Oldisleben aber auch noch in der Kampagne 1990 Rüben zu Weißzucker.

1990

Die 119. Kampagne findet vom 26.9.1990 bis zum 18.12.1990 statt. Zum letzten Mal brummt, dampft und zischt die Fabrik Tag und Nacht, um Zucker herzustellen.

1991

Am 30.6. schließt die Fabrik ihre Pforten. Alle Mitarbeiter werden entlassen. Damit endet die mehr als ein Jahrhundert dauernde Tradition der Zuckerherstellung in Oldisleben. Unter vielen
(ehemaligen) Mitarbeitern machen sich Trauer und Verzweiflung breit. Nicht nur verlieren sie ihren Arbeitsplatz, sondern auch die sozialen Bindungen reißen ein. Aus Kollegen wurden Bekannte, aus Bekannten wurden Freunde. Vielfach bestand eine enge persönliche Bindung zwischen den Arbeitern, die weit über das übliche Maß hinausging. Nicht wenige ziehen nun weg – entweder in größere Städte oder gleich in den „Westen“. Auch für viele Familien stellt die Schließung eine Zäsur dar: teilweise arbeiteten Großvater, Vater und Sohn in der Zuckerfabrik.


Am 1.9. übernimmt die Südzucker GmbH in Zeitz die Zuckerfabrik Oldisleben.

Ab 1991

Beginn der Rekultivierung der Absetzteiche im September. Die Zuckerfabrik fällt in einen Dornröschenschlaf.

2000

Teilabbruch bzw. -abriss folgender Gebäude: Kesselhaus, Pumpenhaus, Schmiede, Tischlerei, Trocknung, Rübenkeller mit Probenlabor, Schnitzelförderanlage, Werkstatt, Zuckerlager, Archiv, Baracken, Fuhrwerksanlagen, großer Teil der Gleisanlage und 25 Meter des Schornsteins.

Abriss der, Kondensatsammler, Speisewasseraufbereitung, Verbindungsbrücke Zuckerlager, Tischlerei, Fahrradschuppen, Zuckerlager 2, Archiv, , Garagen, Pumpenhaus, Schlamm-Pumpenhaus, Baracke, Rübenkeller mit Probenlabor, Fuhrwerkswaage, Reifenlager, Schnitzelförderanlage, großer Teil der Gleisanlage.

2012

Abriss der Beamtenwohnungen, ein Teil der ehemaligen Zuckersiederei am Bretlebener Weg.

2021

Am 18.8.2021 wird die Stiftung Kulturgut Zuckerfabrik Oldisleben errichtet. Ziel ist, die weltweit einmalige Fabrik zu erhalten. Ein neues Kapitel der Zuckerfabrik beginnt.

2022

Am 19.11.2022 wird der Förderverein Kulturgut Zuckerfabrik Oldisleben gegründet.

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